Drachenbootfest

Eigentlich hatte ich geglaubt, dass es zum Drachenbootfest auch Drachenboot-Wettfahrten geben wird. Doch ich sollte mich getäuscht haben. Das Internet ließ mich mit aktuellen Hinweisen auch in Stich. Wahrscheinlich fanden die Wettfahrten im Shunyi Olympic Rowing-Canoeing Park ohne mich statt. Zumindest fand ich auf den beiden einschlägigen Gewässern – auf dem Houhai See in Peking und auf dem Qinglong See, etwa 40 Kilometer im Südwesten, jedenfalls keine Spur davon.

Wenn ich Chinesen frage, was sie an diesem dreitägigen Fest machen, erhalte ich die gleiche Antwort, die ich auch zu anderen Festtagen bekomme: ausschlafen, mit der Familie zusammen sein, gut essen und … shoppen!

Sonntag, 28. Mai 2017 – Erster Feiertag

Fahre in der Mittagshitze hinaus zum Olympic Park um mich dort mit Freunden zu treffen. Wir wollen in den Water Cube (National Aquatics Center) – genauer gesagt mit der fünfjährigen Tochter in die Happy Magic Waterworld! Kostet für die begleitenden Erwachsenen ¥200 pro Person. Wir brauchen – dank der dürftigen Beschilderung – eine halbe Stunde, um uns im Gebäude zu orientieren. Dann funktioniert der elektronische Schlüssel für das Schließfach nicht! Endlich dürfen wir dann doch ganz groß mitplanschen.

In der Happy Magic Waterworld
In der Happy Magic Water World gibt es Wasserspass für Jung und Alt

Alle zwei Stunden wird für zehn Minuten die Wellenmaschinerie angeworfen. Eingeheizt von dem Moderator und einer sicher 10 Meter breiten LED-Wand wird zu Diskomusik frenetisch geplanscht. Sogar deutsche Rums-Bums-Schlager sind im Repertoire! Trotzdem erhole ich mich prima beim Leute gucken und flirten mit dem niedlichen einjährigen Mädchen neben mir.

Montag, 29. Mai 2017 – Zweiter Feiertag

Fahre bereits um 7 Uhr zum Houhai See, der im Zentrum der Stadt liegt. In der Hoffnung dort Drachenboot zu finden. Die gibt es dort auch – allerdings in kleiner Zahl und sehr heruntergekommen. Sie sehen nicht so aus, als wenn sie für Rennen taugen.

Die Drachenboote auf dem Houhai See wirken nicht sehr seetüchtig
Die wenigen Drachenboote auf dem Houhai See wirken nicht sehr seetüchtig

Aber es gibt Enten, Angler und so früh am Morgen auch die tapferen Schwimmer, alte Männer, die bei jeder Witterung und trotz explizitem Badeverbots ein morgendliches Bad im See nehmen.

Zongzi zum zweiten Frühstück
Zongzi zum zweiten Frühstück

Zurück im Appartement mache ich mir ein zweites Frühstück mit traditionellen Zongzi (粽子), in Blätter gewickelte Köstlichkeiten auf der Basis von Klebereis.

Dienstag, 30. Mai 2017 – Dritter Feiertag … der eigentliche Drachenboottag

Ich liege auf dem Bett und wundere mich, was man in acht Stunden alles erleben kann. Bin immer noch ein wenig benommen, von der bisher längsten Fahrradtour, die ich hier unternommen habe; insgesamt gute 80 km! Zugegeben hatte ich etwas Angst davor, was ich machen würde, wenn etwas schief geht: Ein platter Reifen, (den würde ich flicken können), dass das Fahrrad auseinanderfällt, (tatsächlich wackelt jetzt der Gepäckträger, weil eine Schraube abgefallen ist) oder gar wieder ein Unfall (der zum Glück nicht eingetreten ist).

Frühstück in dem kleinen Restaurat um die Ecke, wo noch mit Holzkohle gefeuert wird
Frühstück in dem kleinen Restaurat um die Ecke, wo noch mit Holzkohle gefeuert wird

Bereits um 6:30 Uhr war ich unten in dem kleinen Restaurant und habe 油条 (Youtiao, in Fett gebackene Teigstangen) und 茶鸡蛋 (Chajidan, in gesalzenem Tee gekochtes Hühnerei) und eine Schale 豆浆 (Doujiang – Soyamilch) zu mir genommen. Die Wirtin hatte von gestern Morgen sogar noch erinnert, dass ich Zucker nehme und ihn bereits in die Schale getan. Als ich aus dem Restaurant kam, fing es an zu regnen. Eigentlich sollte der Regen schon vorüber sein. Zum Glück hatte ich meine Laufschuhe an sowie den Windbreaker, der ein wenig Regen ab kann. Südwestlich am Bahnhof vorbei, hatte es sich bereits gut ein geregnet. Überall auf den Straßen große Pfützen, da Abflussgullis hier eher rar sind.

Karte der Fahrradtour: blau markiert den Hinweg, orange den Rückweg
Karte der Fahrradtour; blau markiert den Hinweg, orange den Rückweg (für volle Größe bitte auf die Karte klicken)

Gegen 8:00 Uhr lies der Regen dann nach und das Fahren wurde angenehmer. Recht erstaunt war ich, bereits um 8:30 Uhr die Brücke über den Yongding-Fluss (永定河) erreicht zu haben. Gleich nördlich davon entdeckte ich die mehr als 300 Jahre alte Luguo-Brücke (卢沟桥) auch Marco-Polo-Brücke genannt: Eine Touristenattraktion, die ich schon immer einmal sehen wollte.

Ein chinesischer Besucher posiert mit mir auf der Marco-Polo-Brücke
Ein chinesischer Besucher posiert mit mir auf der Marco-Polo-Brücke

Durch das Dorf, gleich rechts am westlichen Ufer, gelangte ich zum Eingang. Am meisten haben mich auf der Brücke die riesigen durch fortwährende Abnutzung tief eingefurchten Rinnen und Vertiefungen in den riesigen Pflastersteinen beeindruckt. Das Eintrittsgeld von ¥25 ist zwar beträchtlich, jedoch muss davon ja auch die Instandsetzung bezahlt werden. Die Einheimischen dürfen die Brücke unentgeltlich benutzen.

Dann war es nur noch eine Stunde radeln bis zum Qinglong-Park am Chong Qing Water Reservoir gleich nördlich der Stadt Qinglonghuzhen (青龙湖镇).

Eine unglaubliche Vielfalt, Frische und Menge an Gemüsen und Früchten
Eine unglaubliche Vielfalt, Frische und Menge an Gemüsen und Früchten

Unterwegs kam ich auf einer Seitenstraße durch einen sicherlich 1,5 km langen Markt, wo das Gemüse für einen Bruchteil dessen angeboten wurde, was es in Peking im Supermarkt kostet. Mich erstaunt immer wieder die Vielfalt, die Frische und auch die Mengen, die hier in den Handel kommen! Der Park den ich kurz nach 10:00 Uhr erreichte, kostete nur ¥20, jedoch war auch das zu viel, da der Park selbst enttäuscht: ein „Family Resort“, jede Menge Fressbuden und Fahrgeschäfte. Alles zwar irgendwie in die Landschaft integriert, jedoch nur Betonarchitektur, nichts Originäres.

Im Qinglong Park kann man sogar in echtem Sand buddeln
Im Qinglong Park kann man sogar in echtem Sand buddeln

Allerdings recht schöne künstliche Wasserfälle und Kaskaden für die Kinder zum Spielen im und am Wasser, mit Sandstrand zum Buddeln, bunte Kescher und Wasserspritzen. Auch paramilitärische Übungsgelände mit Softlaser-Waffen. Und natürlich kleine elektrische Golfwägelchen und Tretboote.

Auf der anderen Seite des Sees beginnen die westlichen Berge, deren Konturen sich jetzt, wo die Sonne durchzubrechen beginnt, aus dem Dunst herauslösen. Ich verweile am Ufer unter den Trauerweiden, schaue den Anglern zu und zeichne. Die Ameisen holen sich, was von meinem Apfel heruntergefallen ist. Außer der schönen Fernsicht – eine landschaftliche Enttäuschung. Allerdings ist das Klima hier vorzüglich. Vom Wasser her weht eine leichte Brise und die Luft ist voller Düfte, die an mediterrane Gefilde erinnern. Der See ist für Normalsterbliche allerdings nur vom Park aus zugänglich. An den anderen Ufern reihen sich Villen Ressorts und Baumschulen sowie landwirtschaftlich genutzte Flächen aneinander.

Ein Radler aus Peking posiert mit mir vor dem Qinglong Park
Ein Radler aus Peking posiert mit mir vor dem Qinglong Park

Ich packe zusammen und verlasse das Gelände. Beim Fahrrad kauert eine Gruppe anderer Radler im Gras. Einer von ihnen posiert mit mir vor dem Handy. Sie wünschen mir gute Fahrt. Wenig später treffe ich sie wieder. Wir fahren eine Weile zusammen, bis sie, nach etlichem navigatorischen Beratschlagen nach rechts abbiegen, da sie in der Südstadt zu Hause sind.

Pause am Ufer des Yongding Flusses
Pause am Ufer des Yongding Flusses

Die Brücke über den Yongding-Fluss ist dann wieder sehr schnell erreicht. Mache einen Abstecher entlang des Ufers. Man könnte fast meinen, in der Haseldorfer Marsch zu sein. Inzwischen hat die Sonne ihre volle nachmittägliche Hitze erreicht.

Der Rest des Weges wird etwas länger dauern, auch weil ich mich zwei-dreimal etwas verfahre. Aber das ist auch ganz gut so, denn man sollte zurück nie den gleichen Weg nehmen, besagt ein chinesischer Aberglaube. Und so kommt es dann auch, dass ich die Chang’An Straße (Großer Frieden) der ganzen Länge nach abfahre. Und dabei auch gut Gas gebe, weil ich jetzt auch gern wieder zu Hause sein möchte.

Der Eingang zur Verbotenen Stadt in Festtagsstimmung
Der Eingang zur Verbotenen Stadt in Festtagsstimmung

Am Tiananmen-Platz ist der Durchgangsverkehr für Fahrräder geöffnet und vor dem Eingang zur Verbotenen Stadt sind wegen des Festtags heute alle Springbrunnen in Gang gesetzt.
Allerdings nerven mich heute die Busse, die mich erst überholen, um mich dann umgehend an der nächsten Haltestelle abzudrängen und fies auszubremsen. Im Apartment angekommen, wasche ich mich und die Klamotten. Der Straßendreck ist mir heute Morgen im Regen bis über die Knie gespritzt.

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